Es geht um mehr


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Posted by Stefan Beck on May 07, 1997 at 09:19:42:

In Reply to: Re:Geht es um Kunstgeschichte ? posted by Thomas Wulffen on May 04, 1997 at 12:00:07:

Natürlich geht es auch ohne Kunstgeschichte, gar keine Frage. Ich
stehe eher vor dem Problem welche (wissenschaftliche) Methode zu der von
mir angestrebten Untersuchung Zugang bietet. Mit "Kritik der Kritik"
wollte ich nur ausweisen, daß Kritik nicht mehr der Geist über
dem Wasser (der Kunst) ist, sondern selbst ein Teil des Kampfes und der
Auseinandersetzung. Für mich ist das beinahe banal, aber insgesamt
noch nicht selbstverständlich (Pace Gleichgesinnte!).

Es ist vollkommen richtig Fakten und nichts als Fakten zu fordern, statt
sich mit schwammigen Begriffbestimmungen wie "Hexerei" oder "Schamanismus"
zufrieden zu geben. Trotzdem bleibt die Frage, wie die Fakten zu gewinnen
sind. Ich habe an anderer Stelle schon über Kasper König und andere
Minoritäten des hiesigen Kunstlebens geschrieben, was ich in die Finger
bekommen konnte. (siehe meine diesbezüglichen Artikel im " COLOR="#1501FE">inter.zin", hier bei TT FFM) Auch hier auf
dem Brett ist zu lesen, daß K.K. jetzt bei der Industrie schnorrt.
Mein Informationsdienst hat jetzt zusätzlich erfahren, daß die
schon besprochene Ausstellung bei der Daimler-Benz-Vertretung in Frankfurt
der Städelschule eine Spende von DB in nicht genannter Höhe eingebracht
hat. (Vor dem Hintergrund, daß die Stadt Frankfurt die Städelschule
gerne dem Land Hessen aufs Auge drücken möchte, und daher immer
weniger Geld zur Verfügung stellt.) Ebenso wird die von mir schon erwähnte
Ausgabenreihe der hiesigen Zeitschrift ROGUE (Motto:"ROGUE als the
missing link zu den Künstlern [sic!]") nach zuverlässiger
Quelle von Kasper König finanziert. Ich sehe hier weniger das Problem,
daß mir diese Spendenquittungen (sofern es welche gibt) nicht auf
dem Schreibtisch liegen, als schon an ganz anderer Stelle dafür gesorgt
wird, daß erst gar keine Fakten entstehen.

Jüngstes Beispiel ist die nicht existente Wandzeitung unseres "Seminars"
(siehe unter TT FFM "Kunst & Politik"). Wir hatte schon vor
einiger Zeit beschlossen, die Früchte unseres Kaffeehausstammtisches
in Form einer Wandzeitung öffentlich zu machen. Unser Mitseminarist
Thomas Erdelmeier hatte sich angeboten Räume in der Frankfurter Junghofstraße,
die er schon für Ausstellungen und Parties genutzt hatte, mit ihren
Schaufenstern zur Verfügung zu stellen. Daß er gleichzeitig die
Innenräume an die Veranstalter der ART FRANKFURT Party, ROGUE Herausgeber
W E Baumann und Ausstellungsmmacher Konstantin Adamopoulos, vermietet hatte,
schien ihm anfangs kein Problem. Wir wollten ja auch nur die Schaufenster
nutzen und das erwartete Kunstpublikum gerne über Kulturpolitik in
Frankfurt aufklären. Die Räume der Party, die Schaufenster uns.
Sollte doch eine gute Sache werden mal zu demonstrieren, daß es in
Frankfurt auch einen kritischen Diskurs gibt.

Aber als die Zeitung stand, entdeckte Herr Erdelmeier, daß da auch
Artikel von mir hingen, die sich kritisch mit gewissen Aktionen von Herrn
Baumann und Herrn König in Frankfurt auseinandersetzten (nachzulesen
ebenfalls in "inter.zin").
Das wollte ihm plötzlich gar nicht mehr gefallen, weil er
nach beiden Seiten offen bleiben wollte, großzügiger Gastgeber
und kritischer Seminarist. Wie er selbst zugab, sah er sich von König
abhängig, weil König "im entscheidenden Moment" (Erdelmeier)
geholfen hatte die Junghofstraße für Ausstellungen nutzbar zu
machen. Kritische Texte würden ihm, so seine Befürchtung, den
Weg zu weiteren Projekten, die in Frankfurt nur über König möglich
wären, versperren. Daß mein Brief an W E Baumann zentraler Punkt
der internen Auseinandersetzung wurde, braucht nicht überraschen. Der
Brief bezieht sich auf die Form eines Einladungsschreibens Baumanns zu einem
Treffen im Frankfurter "Hafenbad" im August 96. Wird die zentrale
Rolle Kasper Königs dabei nicht nur dadurch deutlich, daß "Dank
K.K. für Essen und Trinken gesorgt" sei (Baumann), so darüber
hinaus, daß viele der angesprochenen und angeschriebenen Gäste
Baumann gar nicht persönlich kannten, oder Gründe hatte, anzunehmen,
daß Baumann sie gar nicht kannte. Die Kunsthistorikerin Verena Kuni,
die ebenfalls Bedenken über die Form Baumanns Einladungsschreiben äußerte,
hat in einem Brief an Baumann davon geschrieben, daß sie nie eine
Einladung von Baumann erhalten habe, sondern von König direkt angesprochen
wurde. Damit ist zumindestens plausibel, daß die von Baumann initierte
Liste zum Teil von König selbst stammt.

Indem ich Baumann kritisierte, traf ich ebenfalls König, was Erdelmeier
nach eigener Aussage nicht recht sein konnte. Nach über dreistündiger
Diskussion der Seminarteilnehmer mit Erdelmeier, die übrigens die Position
aller anderen hervorhob, daß meine Artikel als kritische Beschäftigung
mit der Frankfurter Kulturpolitik ("Stadt" war eines der Themen,
die Erdelmeier selbst für die Wandzeitung vorschlug) einen wertvollen
Beitrag zur Wandzeitung leisteten, erklärte dieser dann, daß
sein Kollege Schneider und er schließlich das Hausrecht ausübten
und, daß es daher in ihrem Ermessen stünde, ob die Wandzeitung
zur Party hängen bliebe oder nicht. Das Seminar konnte dagegen nur
fordern, daß die Wandzeitung als Ganzes bestätigt oder abgehängt
würde. Einzelne Beiträge dürften nicht gesondert "zensiert"
werden.

Obwohl Erdelmeier uns versprochen hatte, uns vom Ergebnis seiner Unterredung
mit Schneider zu informieren, fand ich bei einem Kontrollbesuch gegen 20:00
Uhr die Wandzeitung entfernt, das Schaufenster stattdessen mit Exemplaren
von ROGUE dekoriert vor.

Wenn ich diesen Vorgang hier so elaboriert geschildert habe, dann, weil
sich hier ein grundsätzliches Problem im Umgang mit Kritik stellt.
Die Wandzeitung als Objekt der Auseinandersetzung gibt es nicht mehr. Sie
ist nun mehr fiktiv. Das Publikum der Art Frankfurt kam zum Ort der Party
ohne zu wissen, was ihm entgangen war. Wir alle, Erdelmeier inklusive, sind
nun gezwungen über ein Objekt zu sprechen, was real nicht mehr vor
uns liegt. Die Auswirkungen, eine Spaltung des Seminars u.a, sind sehr wohl
real vorhanden. Aus den Bruchstücken das vormalige Original zu rekonstruieren,
birgt aber selbstverständlich die Gefahr die einzelnen Teile falsch
zusammenzusetzen. Das trifft sowohl mich als auch Erdelmeier, Wir beide
sind nun gezwungen, aufgrund von größtenteils undokumentierten
Vermutungen zu operieren. Paradoxerweise ist nun eingetreten, was Erdelmeier
mir von vornherein als Schwachpunkt meiner Kritiken ankreidete, sie seien
"zu persönlich". Mangels des corpus delicti sind wir beide
gezwungen persönlich zu argumentieren. Ich kann nur noch schreiben,
wie ich den Vorgang erlebt habe. Mein persönliches Leiden daran muß
niemand mehr interessant finden.

Ich denke, daß sich Kunst mit solcher Art von vorwegnehmender Selbstkritik
(weder Baumann noch König haben sich im Vorfeld - die Wandzeitung hing
vor der Party fast eine Woche - direkt negativ geäußert, lediglich
Thomas Erdelmeier fürchtete präventiv dafür gemaßregelt
zu werden) einen großen Schaden zufügt. Es ist natürlich
leicht zu fordern, alles müsse ausgesprochen werden, aber solche Sachen
sind sicherlich kein Einzelfall. Kritik der Kritik heißt für
mich anzuerkennen, daß Kunst notwendig geschichtlich ist. Jede Art
von Zensur schadet diesem Projekt eminent.

Wir hatte ja hier das Glück, daß Erdelmeier durch die Beteiligung
des ganzen Seminars gezwungen war Stellung zu beziehen. Was in einzelnen
Künstlern intern an Selbstkritik abgeht, bevor sie ein Werk präsentieren,
ist wahrscheinlich niemals mit Sicherheit aufzuweisen.

"Nichts an meinen Gedanken", sagt Wittgenstein,"deutet daraufhin,
daß sie mit einem Gehirn gedacht werden."


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